Warum nicht-durchschlafen total normal ist

Warum nicht-durchschlafen total normal ist

Bei keinem anderen Punkt wird so viel offen gelogen, beschönigt und verheimlicht wie beim Thema Babyschlaf. „Schläfts schon durch?“ ist die Einstiegsfrage, auf die vor allem Familienbetteltern dann oft lange Diskussionen führen (müssen). Weil ihre Babys und Kleinkinder eben nicht durchschlafen. Und weißt du was? Das ist total ok. Und völlig normal.

Definition Durchschlafen: Für müde Eltern ist Durchschlafen wohl am ehesten „die ganze Nacht, von abends bis morgens“. Aber im Sinne der Schlafforschung sind es dann eher fünf bis sechs Stunden in den Nachtstunden, in denen dein Baby oder Kleinkind zwar aufwacht – aber danach von ganz allein wieder in den Schlaf findet.

Und das ist exakt das, was auch den Erwachsenenschlaf kennzeichnet: Wir alle wachen nachts gelegentlich auf, finden aber meist ohne weitere Umstände zurück in den Schlaf. Und wir vergessen diese nächtlichen Wachphasen auch wieder.

Öfter aufwachen ist sicherer

Obwohl wir uns wohl alle über perfekt durchschlafende Babys freuen würden, ist es eigentlich gar nicht gut. Ganz im Gegenteil: Die noch im Wachstum befindlichen sensiblen Atemregionen im Babygehirn scheinen bei zu tiefem und nicht-unterbrochenem Schlaf gefährdet zu sein. Es ist mittlerweile nachgewiesen, dass äußere Reize wie Atemgeräusche nötig sind, um Babys immer mal wieder an das Atemholen zu erinnern.

Deshalb wird auch ausdrücklich dazu geraten, mindestens in Babys erstem Jahr Co-Sleeping zu betreiben, also gemeinsam in einem Raum zu schlafen. So erhält das Kind vor allem im ersten Jahr immer wieder die nötigen Impulse, um nicht zu tief zu schlafen – und ausreichend Atem zu schöpfen.

Gleichzeitig sind häufigere Aufwachphasen in der Nacht wichtig, um zu futtern. Ja, ganz genau. Schlafen Babys nachts nicht durch, stillen sie mehr – oder werden häufiger mit der Flasche gefüttert. Und die nächtlichen Kalorien werden dringend benötigt, schließlich wachsen Babys im ersten Jahr unfassbar schnell. Gerade das Gehirn benötigt eine möglichst konstante Zufuhr an Nahrung für diese Mammutaufgabe.

Nicht-durchschlafen hält Babys also davon ab, zu sehr im Tiefschlaf zu versinken und sorgt dafür, dass sie ausreichend Kalorien zu sich nehmen. Wenn das mal keine guten Gründe für die nächtlichen Unterbrechungen sind, findest du nicht auch?

Nicht-durchschlafen bei Kleinkindern

Nun werden unsere Lieblinge größer und älter und dann taucht die Frage nach dem Durchschlafen wieder auf. So ein 1,5jähriges muss doch auch mal langsam durchschlafen! Oder nicht?

Tatsächlich: Nicht. Im Schnitt schlafen Kleinkinder erst deutlich später „durch“. Also „durch“ in unserem Sinne, dass wir sie abends in den Schlaf begleiten und sie uns erst morgens mit strahlendem Lächeln und feuchten Küssen aufwecken.

Da tickt der Instinkt von mehr als 100.000 Jahren Menschheitsgeschichte lautstark im Hintergrund. Evolutionsbiologen jedenfalls finden es wenig überraschend, dass Babys auch in der heutigen, sehr sicheren Umgebung kaum alleine ein- und durchschlafen wollen (oder eher: können). Zu lange war allein-einschlafen und allein-tiefschlafen lebensbedrohlich. Stattdessen war das gemeinsame Schlafen mit starken Erwachsenen das, was das Überleben sicherte.

Auch wenn wir uns das beim dritten Mal in den Schlaf wiegen pro Nacht anders wünschen möchten: Unsere Babys und Kinder sind noch immer mehr „Steinzeitbabys“ als „Digitalzeitalterkinder“. Und das ist ok so – aus biologischer und evolutionärer Sicht.

Für müde Eltern

Der erste Schritt ist Akzeptanz. Ja, das klingt viel leichter, als es am Ende wirklich ist.

Der zweite Schritt wäre, es sich so gemütlich und einfach wie möglich zu machen. Stillen im Familienbett ist so viel einfacher, als für jedes müde Quengeln erst den Raum wechseln zu müssen. Die Flasche direkt am Bett mit vorbereitetem warmem Wasser anzusetzen übrigens auch.

Kein Leicht, kein auf-die-Uhr-schauen bei wiederholt wachem Baby ist ebenso hilfreich. Und dann ist es nur noch eine Sache der Geduld. Denn „durchschlafen“ lässt sich, auch wenn es einige Autoren und „Schlafexperten“ immer gern behaupten, eben doch nicht trainieren. Es passiert von allein, sobald das Kind soweit ist.